Die Reise zum Großen Fest
 Die Elfe Sasana 
 Aufregung im Elfental 
 Sasanas Ferien 
 Unas Ulmen 
 Der Einzelgänger 
Die Reise zum Großen Fest
 Wenn Igel träumen ... 
 


Eine Elfengeschichte von kellergoethe. Die Rechte liegen beim Autor. Jegliche Veröffentlichung und Vervielfätigung bedarf der vorherigen Genehmigung.


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Teil 10

Elfenzeichnung von Pia H. Sasana war nach Brids irreführender Auskunft beruhigt und erleichtert. Dafür quälte sie nun um so mehr die Neugier. Una war also bei den Beratungen des Großen Rates dabei. Was mochte das zu bedeuten haben? War Barantas etwa auch in der Hütte?
Sasana ärgerte sich, dass sie nicht auch gleich nach ihm gefragt hatte. Sie überlegte, ob sie noch einmal zur Hütte gehen und die beiden Wildschweine nach dem Zauberer fragen sollte. Doch dann erinnerte sie sich, dass diese beiden ihr überhaupt keine Antwort gegeben hatten. Sie würden es jetzt wohl auch nicht tun. Vielleicht würde sich der Große Rat dann noch einmal durch sie gestört fühlen.
Dieses Risiko wollte Sasana auf keinen Fall eingehen. Also bezähmte sie ihre Neugier. Doch von Zeit zu Zeit lief sie zu dem Rand des Großen Festplatzes, von dem aus sie einen Blick auf Sesins Hütte werfen konnte. Doch so oft sie auch nachsah, nichts schien sich dort zu verändern. Niemand ging hinein, niemand kam heraus. Und die beiden Wildschweine lagen immer unverändert vor dem Eingang. Was mochte in dieser Hütte wohl vor sich gehen?
So verging dieser Tag des Großen Festes mit Tanzen, Singen, Lachen und Geschichten erzählen, ohne dass sich Una, Sesin oder Barantas auch nur einen Augenblick zeigten.
Als Sasana auch nach dem Erwachen am nächsten Morgen ihre Freundin nicht auf dem gewohnten Schlafplatz fand und dieser auch so aussah, als sei er in der Nacht überhaupt nicht benutzt worden, wurde sie doch wieder unruhig. Noch vor dem Frühstück lief sie wieder, um nachzusehen, was sich bei der Hütte tat. Doch das Bild, das sich ihr dort bot, unterschied sich durch nichts von dem, das sie schon den ganzen gestrigen Tag über gesehen hatte. Na, das mußte ja wirklich etwas sehr wichtiges sein, was den Elfenrat einen ganzen Tag und eine ganze Nacht in den Beratungen festhielt.
Nachdenklich ging Sasana ihrem Frühstück und ihrer Morgentoilette nach. Gerade, als sie damit fertig war und überlegte, ob sie doch einen neuen Anlauf unternehmen sollte, um etwas mehr über die Dinge zu erfahren, die den Elfenrat beschäftigten, betrat Brid den Großen Festplatz. Sie lief zur Mitte des Platzes und rief dann sehr laut aus:
"Schwestern und Brüder! Kommt und versammelt euch im Kreise! Der Große Elfenrat hat seine Versammlung beendet und will euch nun berichten. Kommt alle, setzt euch und haltet Ruhe!"
Nun strömten alle Elfen auf dem Platz zusammen und setzten sich - wie Brid es angeordnet hatte - in mehreren Kreisen so auf den Boden, dass in ihrer Mitte viel freier Raum blieb. Anfangs wurde noch viel getuschelt und geraunt, doch als auch die anderen Mitglieder des Elfenrates nach und nach eintrafen und einen weiteren inneren Kreis bildeten, verstummten alle erwartungsvoll.
Schließlich näherten sich aus der Richtung der Hütte Sesin, Una und Barantas. Nachdem Sesin sich vergewißert hatte, dass alle bereit waren, ihr zuzuhören, ergriff sie das Wort.
"Liebe Freunde, heute ist ein großer Tag für den Farbenwald und die Gemeinschaft der Elfen. Wundersame Dinge sind geschehen, von denen wir euch berichten wollen. Brid wird euch nun eine Geschichte erzählen, die sich vor langer, langer Zeit zugetragen hat. Lauscht aufmerksam, auch wenn ihr nicht sofort alles versteht, von dem die Rede ist. Seid sicher, dass alles aufgeklärt wird."
Sesin nahm nun ebenfalls Platz und richtete ihre Blicke auf die alte Elfe. Diese begann mit ihrer Geschichte.

Zeichnung von Hanne H.

"Die meisten von euch kennen den Farbenwald nur als einen Ort des Friedens, der Ruhe und der Ausgeglichenheit. Dies ist auch gut so. Doch es gab eine Zeit, da war dieser friedvolle Ort in großer Gefahr. Die Ereignisse, von denen ich euch jetzt berichten will, haben dazu geführt, dass der Große Elfenrat eines seiner Mitglieder zur Wächterin des Farbenwaldes bestimmte. Während alle anderen Elfen nur von Zeit zu Zeit den Farbenwald besuchen, ist es die Pflicht der Wächterin, das ganze Jahr hier zu verbringen. Manche von euch werden sich schon gefragt haben, warum es einer Wächterin bedarf. Nun sollt ihr erfahren, wie es dazu gekommen ist, dass Sesin mit diesem Amt betraut wurde.
Wie schon seit Ewigkeiten wuchsen auch in den Jahren, von denen ich erzählen werde, einige Elflinge im Farbenwald heran. Einer von ihnen hieß Togur. Er war ein junger Elf, der in die Obhut eines anderen Elf mit Namen Barantas gestellt war. Diese beiden wurden gute Freunde, wie dies ja fast immer zwischen Lehrer und Schüler hier im Farbenwald ist. Barantas mühte sich redlich mit seinem Schüler ab, um ihn all das zu lehren, was auch ihr hier gelernt habt. Es zeigte sich, dass dies kein leichtes Amt war. Denn Togur war zwar sehr lernbegierig, jedoch auch sehr eigensinnig. Immer wieder brachte er sich selbst und auch seinen Lehrer und Freund in Schwierigkeiten. Dennoch schien er sich - wenn auch etwas langsamer als andere - recht gut zu entwickeln.
Doch zu jener Zeit befand sich unter uns auch noch ein Elf mit Namen Padin. Er lebte in einem der entferntesten Elfenreviere und kam wegen der sehr langen und beschwerlichen Reise nur sehr selten in den Farbenwald. In seinem Revier hatte er sehr schwere Aufgaben zu lösen, denn die Menschen siedelten nicht sehr weit von ihm. Und ihr wißt alle, wieviel Arbeit wir Elfen haben, wenn Menschen nah sind. Bei einem unserer Großen Feste forderte Padin, Mitglied des Großen Elfenrates zu werden. Niemand, so sagte er, habe ein größeres Recht als er, dem Rat anzugehören. Da er die schwierigsten Aufgaben gut gelöst habe, sei auch niemand geeigneter, den Vorsitz des Rates zu übernehmen.
Wir berieten seine Forderung und kamen zu der Meinung, dass die Mitglieder des Großen Rates so nahe am Farbenwald wohnen müßen, dass sie in recht kurzer Zeit zu einer Versammlung kommen konnten. Wenn er, Padin, bereit sei, in ein näher gelegenes Revier zu wechseln, sei es uns eine große Freude und Ehre, ihn in den Rat aufzunehmen. Ob er für den Vorsitz geeignet sei, werde sich dann schon erweisen.
Doch Padin bestand darauf, in seinem alten Revier zu bleiben. Auch auf den Vorsitz des Rates wollte er nicht verzichten.
Daraufhin beschlossen die Elfen, ihn nicht in den Rat zu wählen.
Padin war darüber sehr erbost und verließ den Farbenwald verärgert. Wir alle dachten, er werde sich schon wieder beruhigen. Wenn er dann im nächsten Jahr wiederkäme, würden wir ihn noch einmal bitten, das Revier zu wechseln und ein Amt im Großen Rat anzunehmen. Doch Padin dachte überhaupt nicht daran, so lange zu warten. Schon nach kurzer Zeit kehrte er in den Farbenwald zurück - allerdings ließ er sich dabei von niemandem sehen. Er baute sich in einem verlassenen Winkel des Waldes eine Unterkunft und beobachtete das Leben der Elflinge und ihrer Lehrer. Schon bald glaubte er, ein Opfer für seinen Plan gefunden zu haben. Togur schien ihm wegen seines Eigensinns besonders geeignet.
Eines Tages, als Togur sich wieder einmal von Barantas getrennt hatte und einen seiner Alleingänge durch den Wald unternahm, richtete Padin es so ein, dass er mit Togur zusammentraf.
An dieser Stelle muß ich euch noch erklären, dass wir Elfen von je her auch einiges über Magie wußten. Erst seit jenen Ereignissen mit Padin und Togur haben wir damit aufgehört, unseren Elflingen all unser Wissen über die Zauberei weiter zu geben. Die meisten von euch haben nur einige wenige harmlose Zauberfertigkeiten gelernt.
Padin aber gehörte noch zu jenen, die sich sehr viel mit der Magie befaßt haben. Auf diesem Gebiet war er sicherlich einer der besten. Nicht zuletzt auch deshalb war er für das so schwierige Elfenrevier am Rande der Menschensiedlungen ausgesucht worden.
Padin war ein Meister darin, in die Gedanken anderer einzudringen und sie zu beeinflussen. Mit Togur, der noch ein unfertiger Elfling war, hatte er keine Mühe. Er versprach, ihn mit den tiefsten Geheimnissen der Magie vertraut zu machen und überzeugte ihn sehr schnell, dass es gut und richtig war, sich ihm anzuschließen. Togur mußte sich verpflichten, niemandem etwas über dieses Zusammentreffen zu verraten - auch seinem Lehrer Barantas nicht. Und so trafen sich Padin und Togur immer öfter in aller Heimlichkeit. Und je öfter sie sich trafen, um so mehr führte Padin den Elfling von dem Pfad, auf dem junge Elflinge wandeln sollten. Er brachte ihm sehr vieles aus dem Reich der schwarzen Magie bei und machte ihn glauben, dass all das, was die anderen Elfen ihn lehren wollten, Unsinn sei.
Barantas bemerkte natürlich, dass sein Freund sich veränderte. Oft sprach er mit anderen Lehrerinnen und Lehrern darüber, wie es zu schaffen sei, Togur doch noch auf den richtigen Weg zu bringen. Da sie aber alle nichts von den Treffen mit Padin wußten, konnten ihre Ratschläge nicht helfen. Padin verstand es sehr geschickt, alle Bemühungen zunichte zu machen.
Einmal, als Togur sich wieder davonschleichen wollte, folgte Barantas seinem Schüler, ohne dass dieser es bemerkte. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie er erschrak, als er Zeuge eines Treffens mit Padin wurde.
Dieser hatte jedoch damit gerechnet, dass seine heimlichen Zusammenkünfte mit Togur eines Tages entdeckt würden. Seine magischen Fähigkeiten übertrafen die von Barantas bei Weitem. So bemerkte er die Anwesenheit des Lehrers trotz dessen Versteck und schlug einen Bann um Barantas, der diesem die Fähigkeit nahm, sich zu bewegen.
Mit Drohungen und Zauberkünsten versuchte er nun auch Barantas seinem Willen gefügig zu machen. Dieser merkte sehr schnell, dass er dem stärkeren Zauberer nicht gewachsen war. Also dachte er bei sich, es sei vernünftiger, nicht abzuwarten, bis Padin ihn völlig willenlos gemacht haben würde, sondern so zu tun, als habe der andere dieses Ziel schon erreicht. Wenn es ihm gelänge, den bösen Elf zu täuschen, könnte er die übrigen Elfen warnen und so vielleicht alles zum Guten wenden - auch für Togur.
Doch so leicht war Padin nicht zu täuschen. Er ließ nicht sofort von Barantas ab, als dieser seinen Künsten zu erliegen schien. Vielmehr bearbeitete er dessen Geist noch ein Weilchen länger, um ganz sicher zu gehen.
So kam es, dass Barantas seinen Vorsatz, die anderen Elfen zu warnen nicht in die Tat umsetzen konnte. Statt dessen half nun auch er mit, Padins eigentlichen Plan zu verwirklichen.
Padin redete Togur und Barantas ein, alle Pflanzen seien eklig und überflüssig und müßten daher vernichtet werden. Besonders der Farbenwald sei ein sehr gefährlicher Ort, weil dort die Elflinge verdorben würden. Er lehrte sie manchen Zauber, mit dem die Pflanzen vernichtet werden sollten. Aber erst auf das Zeichen Padins hin.
Padin wollte natürlich nicht den ganzen Wald vernichten, nur gerade genug, um alle Elfen in Angst zu versetzen. Dann würde er unverhofft auftauchen und sich zum Retter des Farbenwaldes aufspielen. Dies würde ihm sehr leicht fallen, da er ja - im Gegensatz zu den anderen Elfen - sehr genau wissen würde, welche Zauber das Sterben der Pflanzen verursachten. Danach würde ihm niemand mehr den Vorsitz im Elfenrat streitig machen können.
Schließlich glaubte Padin, der Zeitpunkt sei gekommen, seine Absicht auch tatsächlich umzusetzen. Er ließ Togur und Barantas ihre Zaubersprüche an vielen Pflanzen ausprobieren.
Große Teile des Farbenwaldes erkrankten und starben ab, und wir hatten nicht die geringste Ahnung, warum dies so war. Unsere Sorgen und Ängste waren sehr groß - wie ihr euch sicher vorstellen könnt.
Padins Plan wäre wahrscheinlich auch aufgegangen, wenn er nicht doch - dem Himmel sei Dank - bei Barantas nicht ganz so gute Arbeit geleistet hätte, wie bei Togur. Barantas kämpfte einige Zeit mit seinem eigenen verwirrten Geist. Eines Tages siegte der alte Barantas in ihm über den neuen, den Padin geschaffen hatte. Er erzählte Sesin alles, was er, Togur und Padin schon angerichtet hatten.
Sesin wußte, dass es einer einzelnen Elfe wohl nicht gelingen würde, den mächtigen Padin in seine Grenzen zu weisen. Sie rief so viele Mitglieder des Großen Rates zusammen, wie sie auf die Schnelle nur erreichen konnte. Und so kam es, dass fünf starke, erfahrene Elfen Padin gegenüber traten, als er erschien, um den Retter des Farbenwaldes zu spielen. Mit vereinten Geistes- und Zauberkräften hielten sie dem Verräter Stand und konnten ihn überwältigen. Mit ebenso vereinten Kräften nahmen sie ihm durch einige Zaubersprüche die magischen Fähigkeiten, damit er kein Unheil mehr anrichten könnte.
Als der gesamte Große Rat versammelt war, wurde beraten, was mit den drei Übeltätern geschehen sollte. Alle drei wurden aus dem Farbenwald verbannt. Sie sollten ihn nie wieder betreten dürfen. Padin erhielt seine Zauberkräfte natürlich nicht wieder zurück. Und um wirklich auf Dauer vor ihm sicher zu sein, wurde ihm auch noch die Elfengestalt genommen. Er mußte seither ein Leben als Tier führen.
Padin hatte bei Togur sehr tiefe Veränderungen bewirkt, die nicht einfach rückgängig gemacht werden konnten. Der Rat glaubte daher, dass die Verbannung allein kein ausreichender Schutz für den Farbenwald war. Es wurde entschieden, Togur zusätzlich mit dem Fluch der Vergeßlichkeit zu belegen.
Weil Barantas noch rechtzeitig eine Warnung ausgesprochen hatte, wurde er dazu verurteilt, seinem Freund und Schüler Togur in der Verbannung zur Seite zu stehen. Er sollte alles versuchen, ihn mit der Zeit doch noch auf den Weg der Elfen zurückzuführen.
Als alles geregelt war, mußten die drei den Farbenwald verlassen."

Zeichnung von Hanne H.

Die Elfen hatten der Erzählung wie gebannt zugehört und sie nicht ein einziges Mal durch einen lauten Ton unterbrochen. Nun saßen sie da, als müßten sie das Gehörte erst noch verdauen.
Sesin erhob sich derweil wieder von ihrem Sitz und ergriff das Wort:
"Vielen Dank, Brid. Du hast die Geschichte sehr gut erzählt. Den meisten wird nun manches klar geworden sein. Hinzuzufügen bleibt nur noch, dass Togur sich in ein Gebirge zurückzog. In ihm wirkte noch immer Padins schlimmer Einfluß. Er konnte einfach keine Pflanzen um sich herum ertragen. Also sorgte er mit einigen Zaubersprüchen dafür, dass in seiner Umgebung kein Baum und kein Strauch wuchs. Barantas steckte nun in einer Klemme. Einerseits wollte er seinen Freund und Schüler nicht einfach allein lassen. Andererseits mochte er aber auch nicht in einer Steinwüste leben. Darum grub er außerhalb des Gebirges, jedoch nahe genug bei seinem Freund eine Erdhöhle in eine mit Gras bewachsene Ebene, um dort zu hausen. So oft er nur konnte besuchte er Togur. Und dieser besuchte ihn.
Und damit kennt ihr nun die ganze Vorgeschichte, die zu dem Verschwinden von Sasana und Gorama in jenem Gebirge führte.
Als Barantas dann hier mit Sasana und Stolzbrust eintraf und wir die bestürzende Geschichte des Verschwindens der Taube hörten, war mir klar, dass ich zumindest für kurze Zeit den Fluch der Vergeßlichkeit von Togur nehmen mußte, wenn Gorama gerettet werden sollte.
Togur ist noch immer nicht vollständig von seinen Wahnideen geheilt. Darum habe ich ihn anschließend wieder mit dem Fluch belegt. Doch nicht mehr so schlimm, wie es vorher war. Barantas wird sich noch einige Zeit um ihn kümmern und es vielleicht sogar schaffen, dass er einmal in den Farbenwald zurückkehren kann. Bis dahin soll zumindest aber Barantas das Recht bekommen, uns hier hin und wieder zu besuchen."
Viele Elfen nickten und murmelten beifällig. Barantas selbst sprang auf seine Füße und rief ganz aufgeregt:
"Ich danke euch! Ihr wißt ja nicht, wie glücklich ihr mich damit macht. Endlich kann ich wieder Spaziergänge in diesem herrlichen Wald unternehmen. Das hat mit ja so gefehlt. Ich danke euch und verspreche auch, dass ihr mit mir nie auch nur den geringsten Ärger haben werdet."
"Schon gut", unterbrach Sesin ihn. "Für Dankesreden ist später noch immer Zeit. Jetzt müßen wir erst einmal die Geschichte zu Ende bringen."
"Ist sie denn noch nicht zu Ende?" - "Was kommt denn nun noch?" - Ach, ist das aufregend." So klangen nun viele Stimmen über den Festplatz. Sasana hielt es nicht mehr auf ihrem Platz aus.
"Seid doch bitte still und laßt Sesin reden, sonst erfahren wir ja nie, was sie noch sagen will", rief sie. Sie spürte sehr genau, dass noch etwas sehr Wichtiges fehlte - auch wenn sie nicht sagen konnte, was dies wohl sei. Die anderen Elfen verstummten wieder und sahen Sesin erwartungsvoll an.
"Vielen Dank, Sasana", sagte diese. "Doch es ist nicht an mir, die Geschichte fortzusetzen. Hört nun auf das, was Una zu sagen hat."
Sesin setzte sich wieder, während Una sich verlegen erhob. Niemand war überraschter, als Sasana. Una? Was konnte Una berichten?

Zeichnung von Hanne H.

Una räusperte sich und begann dann zu erzählen.
"Wegen all der Aufregung um die verzauberte Gorama bin ich noch nicht dazu gekommen, euch von einer seltsamen Beobachtung zu berichten, die ich auf meinem Weg zum Farbenwald gemacht habe. Mir ist nämlich ein Stern aufgefallen, der sich an einem Ort befand, der sicherlich nicht sein angestammter Platz war. Ich hatte nicht die Zeit, zu ihm zu gehen und ihn nach seinen Absichten zu befragen. Doch als Stolzbrust von dem Stern erzählte, den Sasana dem Bären hinterher geschickt hatte, fiel mir meine Beobachtung wieder ein. Außerdem erinnerte ich mich daran, dass Brid einmal einen Zauberer namens Padin erwähnt hatte, der zur Strafe für irgendeine Untat in einen Bären verwandelt worden sei.
Was, wenn der Bär aus Sasanas Tal und Padin ein und derselbe Bär wären?
Und was, wenn der Stern über dem Steinblock der Stern wäre, den Sasana vom Himmel geholt hatte?
Bei der ersten Gelegenheit zog ich Sesin ins Vertrauen. Da sie es auch für sehr gut möglich hielt, dass meine Vermutungen zutrafen, machten Sesin, Barantas und ich uns auf den Weg, um uns zu überzeugen. Wir kamen zu der Stelle, an der ich den Stern gesehen hatte. Und tatsächlich: das Lichtwesen schwebte noch immer über dem großen Stein. Es berichtete uns, dem Bären bis hierher gefolgt zu sein. Tagsüber, wenn der Stern ihm nicht folgen konnte, sei der Bär vor ihm geflohen. Nachts habe er sich immer so versteckt, dass das Lichtwesen nicht an ihn heran konnte. Hier an dieser Stelle sei der Bär offensichtlich in eine tiefe Grube gestürzt. Und als er unten lag, sei der Steinblock auf die Grube gefallen und habe dem Bären das Heraussteigen verwehrt. Nun liege er dort unten gefangen. Doch so wenig, wie der Bär heraus könne, könne er, der Stern, zu ihm hinein, um seinen Auftrag zu erfüllen.
Barantas sprach daraufhin eine Zauberformel, die dem Stein das große Gewicht nahm, so dass er ihn mühelos zur Seite heben konnte. Nun senkte sich der Stern in die Grube hinab, blieb kurz über dem Bären in der Luft hängen und berührte ihn dann ganz sacht an der Stirn. Der Bär schien ganz zu erstrahlen und zu leuchten. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung drang zu uns herauf. Dann stieg das Lichtwesen wieder aus der Grube auf und strebte dem Himmel zu. Barantas ließ dann den Bären ebenfalls aus der Grube herausschweben."
An dieser Stelle wurde Una durch Sesin unterbrochen, die ihr eine Hand auf die Schulter legte.
"Jetzt übernehme ich wohl besser wieder", sagte sie.
"Der Bär war natürlich Padin. Er hatte längst eingesehen, dass er damals im Farbenwald völlig falsch gehandelt hatte. Darum wollte er auch in Sasanas Tal Ruhe finden. Sasana hat mit ihrer Idee, dem Bären ein Lichtwesen zu senden, genau das Richtige getan. Der Stern hat den Bären tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes erleuchtet.
Der Große Elfenrat hat inzwischen über das weitere Schicksal von Padin beraten. So lange Togur nicht die Rückkehr in den Farbenwald gestattet werden kann, so lange darf auch Padin nicht zurückkehren. Er muß in der Gestalt des Bären bleiben. Doch er soll nicht mehr heimatlos herumirren müßen. Wenn sich jemand von euch bereit findet, ihn aufzunehmen, so soll er unter dessen Obhut gestellt werden.
Also, ist eine Schwester oder ein Bruder unter uns bereit, den Bären in dem eigenen Revier aufzunehmen?"
Diese Frage hing eine Weile unbeantwortet in der Luft.
Doch dann meldete sich Sasana zu Wort:
"Ich würde mich freuen, wenn Padin in mein Tal zurückkäme. Es wäre sicherlich auch für ihn eine angenehme Lösung, weil die übrigen Bewohner des Tales ihn schon kennen und auch mögen."
Sesin atmete erleichtert auf.
"Ich hatte gehofft, dass du etwas ähnliches sagen würdest, Sasana. Padin hatte sich gewünscht, in deinem Tal leben zu dürfen. Der Große Rat hat unter der Bedingung zugestimmt, dass du dich freiwillig melden würdest. Du hast dich gemeldet und damit ist dann auch dies sehr zufriedenstellend geregelt. Und nun laßt uns diesen Tag feiern. Es ist ein Tag, an dem alte Feindschaften beigelegt werden konnten. Es kann keinen schöneren Grund für eine Feier geben. Musik!"
Und da ließen sich die Elfen nicht lange bitten.

E   N   D   E




Für die Zeichnung danke ich sehr herzlich Hanne H.
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